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«Das Zwischenmenschliche ist entscheidend»
Julian Torres unterrichtet seit Februar 2025 die Instrumente Gitarre und E-Gitarre an unserer Musikschule und leitet eine Workshopband. Wir haben uns mit dem gebürtigen Kolumbianer über seinen Werdegang und seine Schwerpunkte als Musiker und Musikpädagoge unterhalten.
Julian, wann begann deine musikalische Laufbahn und wie kam es dazu?
Julian Torres: «Im Alter von ungefähr sechs Jahren hat mich meine Mutter zum Klavierunterricht an einer Privatschule angemeldet. Nach drei Jahren kam die Blockflöte dazu und ein, zwei Jahre später die Gitarre. In meiner Heimat Kolumbien ist die folklorische Musik traditionell stark verankert. Dementsprechend spielte ich in den ersten Jahren Popularmusik, bevor ich im Alter von zwölf Jahren zu einer Lehrerin kam, die mich klassisch ausbildete.»
Bist du in einer musikalischen Familie grossgeworden?
«Meine Eltern sind beide Rechtsanwälte. Unsere Mutter hat mich und meine vier Brüder sehr vielseitig gefördert. Das hatte zur Folge, dass vier von uns nun beruflich mit Kunst zu tun haben. Neben einem Schriftsteller und einem Bildhauer sind wir zwei Musiker. Nur ein Bruder ist ebenfalls Rechtsanwalt geworden.»
Worin unterschied sich deine Ausbildung in Kolumbien von derjenigen hier bei uns?
«In Kolumbien gibt es keine öffentlichen Musikschulen, wie wir sie hier kennen. Kulturinteressierte treffen sich in sogenannten Kulturhäusern. Dort werden verschiedene Möglichkeiten angeboten, sich musikalisch oder anderweitig künstlerisch zu bilden. Während dieser Zeit ergriff ich die Gelegenheit, und machte die Aufnahmeprüfung fürs Musikkonservatorium. Dieses ist vergleichbar mit den Musikgymnasien in Österreich. Anschliessend studierte ich zeitgenössische Komposition und klassische Gitarre an der Universität EAFIT in Kolumbiens zweitgrösster Stadt Medellin, in deren Nähe ich aufgewachsen bin.»
Weshalb hast du dich für die Gitarre entschieden? Was fasziniert dich an diesem Instrument?
«Es ist die Vielseitigkeit in jeglicher Hinsicht, die mich fasziniert. Mit zwölf Jahren war mir klar, dass dies mein Instrument ist. Ich liebe den Klang der Gitarre. Er kommt sehr nahe an den perfekten Klang des Klaviers heran. Ich schätze es sehr, sowohl solo als auch in Bands sowie verschiedenste Stilrichtungen damit spielen zu können. Je nach Einsatzgebiet greife ich auf verschiedene Instrumente wie beispielsweise meine klassische Konzertgitarre, die Jazzgitarre oder die E-Gitarre zurück.»
Was hat dich nach Europa verschlagen?
«Meine spätere Wiener Professorin Brigitte Zaczek gab in Kolumbien einen Meisterkurs, an dem ich teilnahm. Sie lud mich nach Wien ein, um dort zu studieren. Ich nutzte die Chance und war neugierig darauf, eine andere Kultur und Sprache kennenzulernen – zumal ich in eine musikalisch sehr geschichtsträchtige europäische Stadt kommen und an einer Universität von hohem Niveau studieren würde. So absolvierte ich an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien mein Studium im Konzertfach Gitarre und in Musikpädagogik.»
Welche Voraussetzungen benötigt ein Gitarrist bzw. ein Gitarrenschüler?
«Alle Musiker benötigen Rhythmusgefühl und ein gutes Gehör. Die Gitarre stellt zudem hohe Anforderungen an die Feinmotorik. Hier stelle ich bei den Schülern grosse Unterschiede fest. Es gibt Kinder, die in jungen Jahren diesbezüglich sehr weit sind, bei anderen arbeiten wir im Unterricht Schritt für Schritt daran, diese aufzubauen und zu verfeinern. Musikalische Früherziehung kann hier hilfreich sein, ist jedoch keine Voraussetzung. Schlussendlich steht und fällt das Erlernen eines Instruments mit der eigenen Motivation.»
Worauf legst du Wert beim Unterrichten?
«Eine gute Beziehung und Kommunikation zu und mit den Schülerinnen und Schülern ist in jeder Altersstufe wichtig. Mein grösstes Ziel als Lehrer ist es, dass der Schüler intrinsisch motiviert ist. Dafür verfolge ich verschiedene pädagogische Ansätze. Es ist schön, wenn der Schüler sagen kann: „Ich spiele nicht für den Lehrer und auch nicht für die Mama, sondern für mich.“
Bei mir selbst war dies der Fall. Ich bin sonntags um sieben Uhr aufgestanden, wenn im Radio ein klassisches Gitarrenkonzert gespielt wurde. Das habe ich dann jeweils auf Kassette aufgenommen, um es mir immer wieder anzuhören.»
Du leitest auch einen Bandworkshop im GrooveLab der Musikschule.
«Ja genau, ich coache eine Teenager-Band. Im Rahmen meiner bisherigen Lehrtätigkeit in Niederösterreich und Hard/Vorarlberg habe ich in den vergangenen Jahren zahlreiche Bands begleitet. Bandcoaching ist eine spannende Herausforderung und bringt viel Abwechslung. Wichtig ist es, sich gut auf diese Stunden vorzubereiten. Auch hier spielt die Kommunikation eine entscheidende Rolle. Meine Erfahrung zeigt, dass sich insbesondere Kinder und Jugendliche leicht fürs Ensemblespiel begeistern lassen.»
Hattest du selbst Musiklehrer/-innen, die dir ein Vorbild waren?
«Meine erste Lehrerin für klassische Gitarre war super motiviert und hat es verstanden, uns Jugendliche damit anzustecken. Sie hat uns Schüler beispielsweise am Muttertag zusammengetrommelt. Wir sind dann zu den einzelnen Schülern nach Hause gegangen, haben geklingelt und den Müttern ein Ständchen dargebracht. Alle meine Lehrpersonen haben mich auf ihre Art motiviert und unterstützt.
Darin sehe ich auch meine Aufgabe als Musiklehrer. Wir arbeiten mit dem ganzen Spektrum der Gesellschaft und müssen zu den unterschiedlichsten Menschen eine Beziehung aufbauen, damit der Unterricht ein Erfolg werden kann. Dabei decken wir eine grosse Bandbreite an Rollen ab – vom Therapeuten bis zum Entertainer. Schlussendlich ist immer das Zwischenmenschliche entscheidend.»
In welchen Projekten trifft man dich neben deiner Unterrichtstätigkeit an?
«Ich bin Teil des Jazzprojektes „Torres Raidt y Delis“. Mit zwei Gitarren plus Schlagzeug führen wir Eigenkompositionen und lateinamerikanische Musik auf. Daneben trete ich auch als klassischer Gitarrist solo und in Ensembles auf. Auch das Komponieren eigener Stücke gehört für mich dazu.»
Dein Leitsatz «In der Stille wird Musik geboren, um das Unsagbare hörbar zu machen.» regt zum Nachdenken an. Was bedeutet diese Aussage für dich?
«Musik ist die beste Sprache, die man sich vorstellen kann. Mit ihr kann man sich verständigen, seine Emotionen und Stimmungen ausdrücken. Aber Musik ist nicht nur Klang. Es braucht die Pausen und Stille dazwischen, um sie überhaupt wahrzunehmen. Erst recht, wenn sich neue Ideen entwickeln sollen.»
Womit beschäftigst du dich in deiner Freizeit?
«Ich habe vielseitige Interessen, dazu gehören Naturwissenschaften und Technik. In diesem Zusammenhang interessieren mich digitale Lösungen fürs Musizieren und den Unterricht. Auch mit der Künstlichen Intelligenz (KI) beschäftige ich mich. Ich lese viel Fachliteratur dazu und bilde mich ständig weiter. So schaffe ich es, die Technik sinnvoll und bewusst einzusetzen und die Gefahren dabei nicht sorglos ausser Acht zu lassen.
Einen Ausgleich finde ich in der Bewegung und in der Natur. Wie erwähnt, hat uns unsere Mutter sowohl kulturell als auch sportlich gefördert. Daher betreibe ich regelmässig und leidenschaftlich gerne Sport. Daneben geniesse ich das Familienleben mit meiner Frau und den beiden Kindern. Wir musizieren oft gemeinsam. Ich habe meine Frau während des Studiums in Wien kennengelernt, sie hat Rhythmik studiert. Meine zwölfjährige Tochter besucht die Musikmittelschule und mein Sohn (9) lernt Gitarre an der Musikschule, nachdem ich ihn in den ersten Jahren zu Hause unterrichtet habe.»
Wie darf es für dich weitergehen?
«Ich möchte als Musiklehrer immer weiterarbeiten. Ich hatte einen sehr guten Start hier an der Musikschule und bin sehr begeistert von meinen Schülerinnen und Schülern. Ich freue mich auf schöne Jahre bei meiner Tätigkeit hier in Liechtenstein. Dabei möchte ich mich als Pädagoge weiterentwickeln und auch als Musiker weiterhin verwirklichen. Das Schreiben und Komponieren soll dabei auch nicht zu kurz kommen.»
Julian, herzlichen Dank für das interessante und angenehme Gespräch.
(Interview: Anita Heule)