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Judith Tiefenthaler im Porträt: «Genau hinhören»
Die Violinistin und Musikpädagogin Judith Tiefenthaler ist im Februar 2023 zum Team der Musikschule gestossen und unterrichtet seither Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus Liechtenstein im Fach Violine. Neben ihrer Lehrtätigkeit ist sie in verschiedenen Orchestern und Ensembles engagiert.
Die Vorarlbergerin ist unter anderem langjähriges Mitglied des Symphonieorchesters Vorarlberg und des Sinfonieorchesters Liechtenstein. Ein grosser Wunsch ging für Judith Tiefenthaler im vergangenen Herbst in Erfüllung: Im Rahmen eines Zeitvertrags spielte sie bei den Wiener Symphonikern, wo sie aktuell noch als Substitutin tätig ist, sofern ihr Kalender dies zulässt.
Geschichtsträchtige Räume
Wir wollten von der Musikerin wissen, ob und wie sich die verschiedenen Orchester unterscheiden. «Die Wiener Symphoniker sind als Berufsorchester ein hervorragend eingespieltes Team, da sie praktisch täglich zusammenspielen», erklärt sie. «Oft hatte ich schon nach einer Probe den Eindruck, wir seien bereit für die Aufführung.» Beeindruckt zeigt sich Judith Tiefenthaler auch von den geschichtsträchtigen Konzertsälen und Gebäuden in Wien, in denen schon alle grossen Dirigenten und Musiker konzertiert haben. Diese bespielen zu dürfen, betrachtet sie als grosses Privileg.
Sie ergänzt: «Bei den hiesigen Formationen handelt es sich um Projektorchester, in denen Konzerte jeweils gemeinsam erarbeitet werden. Die Spannweite der Entwicklung vom Beginn der Proben bis zur Aufführung ist entsprechend grösser und sehr lehrreich.» So oder so – ein Musikerleben ohne gemeinsames Musizieren kann sich die Violinistin definitiv nicht vorstellen. «Das Gemeinsame und Vermittelnde in meinem Beruf bereitet mir grösste Freude», erzählt sie.
Hören will gelernt sein
Den Spass am gemeinsamen Musizieren gibt sie naturgemäss auch an ihre Schülerinnen und Schüler weiter. «Wer, wenn nicht ich?», fragt sie lachend. In ihrer Arbeit als Musikpädagogin sei es ihr ein grosses Anliegen, das Gehör ihrer Schützlinge zu schulen und zu trainieren: «In unserer visuell beherrschten Welt ist es eine Herausforderung, genau hinhören zu können. Dies ist jedoch die Voraussetzung, um eine Geige schön zum Klingen zu bringen.»
Die dafür benötigte Disziplin erachtet die Violinistin als ebenso wichtig wie das Lockerlassenkönnen von Muskeln und Gelenken. „Als Geigerin oder Geiger braucht man ein federndes, durchlässiges Gefühl in den Gelenken und eine aufgerichtete Körperhaltung, um Fehlhaltungen vorzubeugen. Darauf wird im Unterricht fortlaufend geachtet“, antwortet die 30-Jährige auf die Frage nach den körperlichen Voraussetzungen und Eigenschaften eines guten Violinisten.
Judith Tiefenthaler selbst nahm im Alter von sechs Jahren die Geige in ihre Hände. Ihr damaliger Musiklehrer und heutiger Kollege Markus Kessler attestierte ihr beim Schnuppern bereits bestens geeignete «Geigenfinger». Er vermittelte ihr im Unterricht die technische und musikalische Basis, um sich weiter erfolgreich zu entwickeln. «Mit viel Ruhe und Gespür hat mich später auch Maria Kikel am Landeskonservatorium gefördert. Ihre Sensibilität hat mich nachhaltig geprägt», resümiert die Musikerin. «Dank der beiden Lehrpersonen hatte ich das Glück, während des Studiums nichts falsch Angelerntes umlernen zu müssen – im Vergleich zu vielen anderen Studenten.»
Vor der Aufnahmeprüfung zum Fussball
Den Berufswunsch Geigenlehrerin habe sie schon früh gehabt, erzählt unsere Gesprächspartnerin. Um diesen zu verwirklichen, wollte sie zum Studium nach Wien. Dass sie als aktive Fussballspielerin ein Match, das einen Tag vor der Aufnahmeprüfung stattfand, nicht sausen lassen wollte und dennoch die Aufnahme geschafft hat, habe sie wohl ihrer Es-kommt-wie-es-kommt-Einstellung zu verdanken. Jedenfalls fahre sie gut damit, dem Leben mit einem Grundvertrauen zu begegnen und die Chancen und Möglichkeiten auf sich zukommen zu lassen. So ergab sich auch ihre neue Stelle an der Liechtensteinischen Musikschule. Noch bis zu den Sommerferien pendelt sie dafür zwischen Tulln an der Donau und dem Ländle hin und her, bevor ihr bisheriges Unterrichtspensum in Niederösterreich zum Semesterende ausläuft.
Vorerst plant Judith, wieder in der Heimat sesshaft zu werden: «Ich mag die Berge, gehe gerne wandern und brauche die Bewegung in der Natur.» Als Ausgleich zum Musizieren praktiziert sie gezielte Körperarbeit und knobelt auch gerne mal an einem Puzzle. Auch Städtereisen mit ihrem Verlobten stehen ab und zu im Kalender. «Ich entdecke gerne immer wieder neue Destinationen und hatte durch meine Tätigkeit in den Orchestern bereits mehrfach die Möglichkeit, verschiedene Länder zu bereisen», erzählt sie.
Lieblingskomponist Mahler
Während ihres Studiums absolvierte die Violinistin ein Auslandssemester in Finnland. Dort kam sie in Berührung mit dem finnischen Komponisten Jean Sibelius, dessen Violinkonzert zu ihren Lieblingsstücken gehört. Ins Schwärmen gerät Judith Tiefenthaler auch bei ihrem Lieblingskomponisten Gustav Mahler: «Ich liebe seine Orchesterwerke. Mahler bildet mit seiner Musik die ganze Welt ab. Er bringt alle Stimmungen und Emotionen, die es gibt, in seinen Kompositionen zum Ausdruck. Seine Musik berührt mich sehr. Sie geht unter die Haut.»
Wir wünschen Judith Tiefenthaler viel Freude bei Ihrer Tätigkeit in Liechtenstein und danken herzlich für das kurzweilige Gespräch und die interessanten Einblicke.
(Interview: Anita Heule)