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Leidenschaft für tiefe Töne
Eine Subbassflöte namens Oski und ein Kontrabass sind die absoluten Lieblingsinstrumente von Dorit Wocher. Mit einer grossen Portion Begeisterung unterrichtet die Liebhaberin tiefer Klänge seit mehr als 25 Jahren Blockflöte an der Liechtensteinischen Musikschule.
«Ich liebe meine Tätigkeit hier. Meine Schülerinnen und Schüler im Alter von 7 bis 85 Jahren, wobei viele davon Erwachsene sind, sind mir ans Herz gewachsen», erzählt die Musikerin. Sie fühle sich sehr wohl an der LMS. «Am meisten Freude bereitet mir die Arbeit mit meinen Ensembles, welche teilweise schon über 20 Jahre bestehen. Über das gemeinsame Musizieren gelingt es mir, viele der Schüler und Schülerinnen auf der Blockflöte zu halten. Ich schreibe eigene Stücke für sie und besetze die verschiedenen Stimmen im Ensemble bewusst, um ihre Stärken zu fördern und ihnen Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Im Vordergrund steht dabei die Freude an der Musik und am Musizieren.»
Musikfreundschaften fürs Leben
Gute persönliche Beziehungen sind Dorit Wocher sehr wichtig – auch zu den Eltern. «Über die Jahre entstanden wunderbare Musikfreundschaften», schwärmt sie. «Es komm schon mal vor, dass eine Mama den Unterrichtsplatz ihres Kindes übernimmt, wenn dieses aufhört oder auf ein anderes Instrument wechselt.» Ihr eigener Unterricht auf der Blockflöte bei ihrer damaligen Musiklehrerin und bekannten Flötistin Thekla Waldauer habe sie sehr geprägt. Die Musikpädagogin findet es auch grossartig, dass ehemalige Schülerinnen mittlerweile zu Kolleginnen geworden sind.
Dorit Wochers musikalisches Talent wurde im Alter von 15 Jahren beim Chorsingen entdeckt. Wie in ihrer Heimat, der ehemaligen DDR, üblich, wurde sie von da an musikalisch stark gefördert. Ihr Bildungsweg brachte sie an verschiedene Musikhochschulen in Deutschland und Österreich. «In der DDR konnte man damals Blockflöte nicht als Hauptfach studieren», erklärt unsere Gesprächspartnerin. «So koppelte ich meine Instrumentalausbildung mit dem Studienfach Tonsatz und Gehörbildung.» Nebenbei darf auch erwähnt werden, dass die fleissige Musikerin anschliessend ihre Promotion zu Fragen der Musikästhetik im 18. Jahrhundert mit dem Titel Dr. phil. erfolgreich abschloss.
Nicht reden, handeln
Die Inhalte ihres Studienfachs Tonsatz und Gehörbildung vermittelt die Professorin seit 1993 den Musikstudentinnen und -studenten an der Stella Privathochschule für Musik (ehemals Landeskonservatorium) in Feldkirch. Dort kam es auch dazu, dass sie mit Mitte 30 anfing, Kontrabass zu studieren. Dorit Wocher erzählt: «Am Konservatorium wird Kontrabass direkt im Zimmer gegenüber unterrichtet. Mein Kollege und Professor für Kontrabass hat eines Tages zu mir gesagt: Red’ nicht immer von tiefen Tönen, komm endlich rüber!»
Woher kommt ihre Leidenschaft für tiefe Töne? «Angefangen hat es im Chor, wo ich hinter mir immer mit grosser Freude die Bässe gehört habe», meint die vielseitige Musikerin. «Meine Liebe zu tiefen Tönen lebe ich als Flötistin mit meiner Subbassflöte Oski aus. Er ist der einzige Mann in unserem Blockflötenquartett ,La Rocaille’, mit welchem ich gemeinsam mit drei Musikerkolleginnen regelmässig auftrete.» Daneben spielt sie sowohl als Flötistin als auch mit ihrem Kontrabass in verschiedenen weiteren Ensembles, Orchestern und Projekten in der Region. Zwei bis drei Auftritte pro Woche sind keine Seltenheit.
Dorit, ihr Mann Michael und die drei Kinder Gustav, Karoline und Friedrich sind allesamt Berufsmusiker oder auf dem Weg dorthin. Während Mutter und Kinder die gesamte Palette an Streichinstrumenten plus Blockflöte abdecken, spielt Ehemann und Papa Michael Wocher Klavier und Keyboard. «Vermutlich liegt es in meiner Vergangenheit als DDR-Kind, dass ich die musikalische Bildung unserer Kinder bewusst gefördert habe. Ich fragte sie einfach, welches Instrument sie lernen möchten und sie haben sich eines ausgesucht. Daraus ergab sich, dass wir täglich zusammen musiziert und als Familie auch gemeinsam Konzerte gespielt haben. Mittlerweile sind die drei erwachsen geworden und coachen sich gegenseitig, wenn es um die Vorbereitungen auf Probespiele, Wettbewerbe und Aufnahmeprüfungen geht.»
Etwas auf die Bremse treten
Ihr eigenes Studium brachte Dorit nach der Wende nach Österreich, wo sie sich im Konzertfach Blockflöte am Mozarteum in Salzburg den letzten Schliff holte. In Innsbruck, inmitten der Tiroler Berge, hat sie ihren Mann kennengelernt. «Ich bin in der Region Brandenburg ganz ohne Berge aufgewachsen und tat mich lange sehr schwer mit der Landschaft hier. Das Heimweh plagte mich auch noch heftig, als wir gemeinsam nach Vorarlberg gezogen sind», gesteht unsere Gesprächspartnerin. Mittlerweile hat sie sich mit den Bergen angefreundet und geniesst es, zu wandern und Zeit in der Natur zu verbringen. «Da die Kinder nun ihre eigenen Wege gehen, planen wir für die zwei bis drei Wochen musikfreie Zeit im Sommer Urlaub zu zweit und mit Freunden. Aufgrund meiner Flugangst bevorzuge ich Fahrten an gut erreichbare Ziele. Natürlich stehen auch regelmässig Besuche in der Heimat an.»
Ansonsten darf es für Dorit Wocher gerne so weitergehen. Sie liebt ihr abwechslungsreiches Leben als Musikerin und Musikpädagogin. «Vermutlich sollte ich altersbedingt etwas mehr Pausen einlegen als bisher und ab und zu auch auf die Bremse treten», meint sie lachend. Ein wöchentlicher Waldlauf mit der Freundin steht jedenfalls fest in ihrer Agenda.
Blockflöte oder Kontrabass: Wer die Wahl hat…
Zum Abschluss unseres Gesprächs interessiert uns, für welches Instrument sich Dorit entscheiden würde, wenn sie nur eines davon bis an ihr Lebensende spielen dürfte. Spontan antwortet sie: «Das ist eine gemeine Frage! Ich kann mich definitiv nicht entscheiden. Es ist dasselbe, wie wenn ich mich für eines meiner Kinder entscheiden müsste.»
Herzlichen Dank, Dorit, für das kurzweilige und unterhaltsame Gespräch und alles Gute!
(Interview: Anita Heule)