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«Wir Sänger sind unser eigenes Instrument»
Vielseitig engagiert als Gesanglehrer, Dirigent, Baritonsolist und Organist und ist der Balzner Christian Nipp. Seit mehr als 20 Jahren unterrichtet unser aktueller Gesprächspartner seine Schülerinnen und Schüler an unserer Musikschule in Stimmbildung und klassischem Gesang.
«Meine Schülerschar besteht aus einer guten Mischung von Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen und Senioren», erzählt Christian Nipp. Vom ambitionierten Laiensänger über Chor- und Bandsolisten oder Chorsänger, die sich verbessern oder konkrete Lieder einstudieren wollen, bis hin zu Menschen, die das Singen zum Vergnügen, zur Entspannung sowie zur Verbesserung der Atemtechnik praktizieren, sind Frauen und Männer gleichermassen vertreten. Genauso wie die gute Altersdurchmischung schätzt der Gesangspädagoge die Abwechslung in den jeweils gewünschten Musikstilen – viele singen neben Klassik z.B. auch gerne Pop- und Musicalsongs – und an den verschiedenen Musikschulstandorten in Liechtenstein zu unterrichten.
«In der Gesangspädagogik gibt es verschiedene Ansichten darüber, ob Männer nur von Männern und Frauen nur von Frauen unterrichtet werden sollten, welche dann sogar dieselbe Stimmlage wie ihre Schüler haben», erklärt unser Gesprächspartner. «Meine Erfahrung zeigt mir, dass auch die umgekehrte Herangehensweise wertvoll und bereichernd sein kann. Ich stellte bereits während meiner Studienzeit fest, dass zwei Sänger mit unterschiedlichen Stimmlagen in ihrer gesanglichen Entwicklung durchaus mit denselben Herausforderungen konfrontiert sein können. Gegensätzliche Stimmlagen und Geschlechter können hier neue Blickwinkel eröffnen und frische Lösungsansätze hervorbringen. Meine letzte Gesangsprofessorin direkt vor dem Lehrdiplom, Ulrike Andersen, hat mir für meine höheren Stimmlagen die entscheidenden Ratschläge zum Weiterkommen geben können, da sie in ihrem Studium ähnliche Entwicklungshürden überwunden hatte.»
Den eigenen Körper gut stimmen
Im Unterricht wie auch bei seiner Arbeit als Chorleiter legt der Pädagoge Wert darauf, dass die Sängerinnen und Sänger zu Beginn erstmal in ihre eigene, tiefe Atmung und während der Lektion möglichst aus der Alltagshektik heraus und zur Ruhe kommen: «Wir Sänger sind unser eigenes Instrument, das gut gestimmt werden muss. Gesang ist auch Körper- und Einstellungsarbeit und erfordert eine entsprechende Lockerheit, daneben aber auch situativ angepasste, wohldosierte Körperspannung, Offenheit und eine gute Haltung in jeder Beziehung. Jeder Mensch hat auch gesangstechnisch individuelle «Spezialitäten», an denen er arbeiten kann. Auf diese gehen wir im Unterricht detailliert ein.» Über die daraus resultierenden Erfolgserlebnisse seiner Schülerinnen und Schüler freut er sich sehr: «Wenn sie mir bestätigen, dass ihnen meine Übung eine schwere Stelle im Stück erleichtert hat oder ich die Rückmeldung erhalte, dass sie hörbar besser singen seit dem Besuch des Unterrichts, bin ich restlos zufrieden.»
Die positive Grundeinstellung zum Singen fördert Christian Nipp parallel dazu auch im Rahmen der Chorleitung mit stilistisch vielseitigen Stücken und möglichst aufbauenden Liedtexten. Es ist ihm ein Anliegen, dass die ausgewählten Stücke diese Stimmung auch inhaltlich widerspiegeln. Im Unterricht wählen die Schülerinnen und Schüler ihre Stücke und Stile grossteils selbst aus, «denn man lernt das Singen am besten mit dem, was man gerne singt». Dies geht einher mit dem Ziel, beim Singen die Liedinhalte und Botschaften, Stimmungen und Farben mit der eigenen Stimme ausdrücken zu können. «Für einen harmonischen Ausdruck braucht es mehr als nur die richtigen Töne», ist er überzeugt. «Eine gute Sängerin bzw. einen guten Sänger zeichnet aus, dass sie oder er die Gefühle, welche das Stück transportieren möchte, in ihre bzw. seine Stimme legen kann. Das ist vergleichbar mit einem Schauspieler, der seine Rolle überzeugend spielt. Und dabei soll das Instrument Stimme auch möglichst gesund und authentisch bleiben.»
Grosse Leidenschaft für Operettenrollen
Apropos Schauspiel: Der Baritonsolist brennt neben dem Unterrichten für Projekte wie beispielsweise Theaterstücke, Operetten und Musicals. So stand er in den vergangenen Jahren als «Frank» in «Die Fledermaus», «Zeta» in «Die lustige Witwe» und zuletzt 2020 als «Sigismund» in der Operette «Im weissen Rössl» (Foto) auf der Operettenbühne in Balzers und gab sein gesangliches, schauspielerisches und tänzerisches Talent zum Besten. «Es ist sehr motivierend für mich, in diese Rollen zu schlüpfen. Wenn sich eine solche Gelegenheit bietet, engagiere ich mich gerne mit vollem Einsatz», so Christian Nipp. Seine Leidenschaft dafür ist spürbar und so verwundert es nicht, wenn er mit Begeisterung von intensiven Tanztrainings während der Vorbereitungszeit erzählt. «Man muss fit sein, wenn man drei Stunden auf einer Bühne Leistung bringen muss», stellt er schmunzelnd fest und ergänzt: «Besonders schätze ich die Zusammenarbeit in einem tollen Team, wo sich alle gegenseitig unterstützen und aufbauen. Diese sehr intensive Arbeit gibt auch viel Motivation fürs Unterrichten.»
Während der Sänger es geniesst, bei solchen Engagements selbst auf der Bühne sein Bestes zu geben und sich freut, seine Schüler und die Mitglieder seiner Chöre im Publikum zu wissen, trägt er als Chorleiter und Dirigent die musikalische Verantwortung dafür, dass seine vier Ensembles ebenfalls erfolgreiche Auftritte absolvieren können, auch wenn der Probenbesuch nicht immer bei allen Vereinen wunschgemäss hoch ist. So arbeitet er wöchentlich – 2026 werden es schon 30 Jahre – mit dem Divertimento Chor Schaan und über 20 Jahre mit den Männerchören Nendeln und Gams sowie mit dem Gospel- und Popchor «OnTheMove» an deren musikalischen Programmen und Weiterentwicklungen.
Energie aus der Musik geschöpft
Die ersten Erfahrungen in der Begleitung und Leitung von Gesangsgruppen und «Chörle» sammelte Christian Nipp bereits während seiner Schulzeit am Liechtensteinischen Gymnasium und anschliessend an der Universität St. Gallen, wo er vor seinem Musikstudium eine Zeit lang zunächst Rechts- und Wirtschaftswissenschaften studierte. «Bereits als Kind habe ich gerne und viel gesungen, Rollen gespielt und musiziert, beispielsweise schon bei Krippenspielen im Kindergarten», antwortet unser Gesprächspartner auf die Frage nach dem Anfang seines musikalischen Werdegangs. «Ich wollte schon als Primarschüler Klavier lernen, habe dann aber erst Blockflöten- und Gitarrenunterricht erhalten, bevor mir dieser Wunsch erfüllt wurde. Während der gesamten Schul- und Studienzeitzeit wirkte ich immer wieder gerne bei Schauspielkursen, Musiktheatern und Konzerten solistisch mit und schöpfte auch daraus meine Energie für das heutige Unterrichten an der Schule, was ich sehr gerne tue.»
Immer wieder gelangte er an Lehrpersonen, die ihn gefördert und motiviert haben, sich musikalisch zu betätigen und weiterzumachen. Mit 26 Jahren entschied sich Christian Nipp, die Musik zu seinem Beruf zu machen und schloss seine Studien an der Musikhochschule Luzern und der Musikakademie St.Gallen mit dem Lehrdiplom in Gesang sowie dem Diplom in Kirchenmusik Chorleitung erfolgreich ab. Im Rahmen von Meisterkursen, Workshops und Privatunterricht, unter anderem bei Kurt Widmer, dem langjährigen Dozenten der Internationalen Meisterkurse Vaduz, arbeitete der Sänger auch nach seiner Studienzeit weiter an seinem Können.
Technisch interessiert
Einen Gegenpol zu seinem beruflichen Engagement im künstlerischen und pädagogischen Bereich, bildet Christian Nipps Interesse an Technik. Er erzählt: «Bereits in jungen Jahren habe ich mich für technische Belange interessiert und wollte wissen, wie etwas funktioniert. Damals bin ich noch mehr Motorrad gefahren und habe an meinen ersten Autos geschraubt.» Mittlerweile ist die Fliegerei an die Stelle dieser Hobbys getreten. Der Musiklehrer besitzt den Motorflugschein für Sportflieger und führt – wenn es seine Freizeit ermöglicht – auf Wunsch Rundflüge durch oder schleppt Segelflieger in die Lüfte. «Die Passagiere und Segelflieger machen das Fliegen mit ihrem Unkostenbeitrag an die jeweiligen Mietflugzeuge für mich finanzierbar» lacht er. «Ich kann mir durchaus vorstellen, dieser Leidenschaft und dem Reisen allgemein in Zukunft vermehrt nachzugehen, sollte sich die Möglichkeit dafür ergeben.»
Da während der Schulwochen auch Abende, Feiertage und Wochenenden meist mit Proben, Auftritten oder Diensten belegt sind, hält sich unser Interviewpartner in den Schulferien möglichst ein paar zusammenhängende Tage frei von jeglichen Verpflichtungen und geniesst dann die arbeitsfreie Zeit, die er mit Weiterbildung, dem Fliegen und Reisen ausfüllt. «Ich kann mir auch vorstellen, nach über 30 Jahren Chorleitung und über 20 Jahren Unterrichtstätigkeit einmal eine etwas längere Pause einzulegen, um die nächsten Etappen meines Berufslebens und die Zeit danach in Ruhe zu planen», erklärt Christian Nipp abschliessend.
Danke, Christian, für das interessante Gespräch und die Einblicke in dein Musikerleben!
(Interview: Anita Heule)