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«Auf den Rhythmus kommt es an»
Als Bandcoach stiess Marvin Studer im August 2023 zum Team der Liechtensteinischen Musikschule. Mittlerweile unterrichtet der vielseitige Musiker und Musikpädagoge auch zahlreiche Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf seinem Hauptinstrument, dem Schlagzeug.
Schon als Kind weckte die Musik Marvins Interesse. Fasziniert von Rhythmik und Groove begann er seine musikalische Reise im Alter von sieben Jahren, als er seinen ersten Schlagzeugunterricht erhielt. Er erzählt: «Meine Mama tanzte in ihrer Kindheit und Jugend Ballett und dementsprechend hatte sie eine Affinität zu klassischer Musik. Wenn sie mich ins Bett brachte, spielte sie oft ein Spiel mit mir, bei dem ich anhand der vorgespielten Musik den Komponisten erraten musste. Mein Papa war musikalisch das Gegenteil, er hörte am liebsten Rock. So bekam ich früh aus beiden Musikwelten etwas mit und landete selbst irgendwo in der Mitte, beim Jazz.»
Marvin Studer besuchte als Kind die musikalische Früherziehung und hatte dort die Gelegenheit, viele Instrumente auszuprobieren. «Mir machte das grossen Spass», erinnert er sich. «Schlussendlich wurde mir klar, dass ich Schlagzeug lernen möchte. Meine Eltern haben das ermöglicht, mich aber nie unter Druck gesetzt.» Da eine Bekannte das Musikgymnasium in Feldkirch besuchte, kam auch er auf die Idee, diesen schulischen Weg einzuschlagen. «Die Aussicht, täglich Musik auf dem Stundenplan zu haben, gefiel mir.» Am Musikgymnasium Feldkirch genoss unser Gesprächspartner eine klassische Schlagwerk-Ausbildung und nahm zusätzlich Klavierunterricht an der Musikschule, um sich auch im harmonischen Bereich entfalten zu können.
Raus aus dem Korsett
«Nach und nach entdeckte ich während der Ausbildungsjahre meine Leidenschaft für Jazz», erklärt der Musiklehrer. «In meiner klassischen Ausbildung fühlte ich mich immer wieder in ein Korsett gezwängt, aus dem ich ausbrechen wollte.» So machte sich Marvin auf zu neuen musikalischen Ufern. Sein grosses Ziel war es, einige Zeit in New York am Ausbildungszentrum «Drummers Collective» verbringen zu können, um dort seine musikalischen Kompetenzen auch in den zeitgenössischen Genres zu erweitern. «Um mir dies zu ermöglichen, arbeitete ich 11,5 Stunden pro Tag auf dem Bau und habe zusätzlich noch 2 Stunden täglich geübt.»
Es habe sich mehr als gelohnt, bestätigt er. «Die drei Monate in New York eröffneten mir eine komplett andere Welt. Ich traf Schlagzeuger, die in jungen Jahren schon so gut waren, wie ich es nie sein werde. Sie spielten auf einem komplett anderen Level.» Die Unterrichtsmethode unterscheide sich sehr von jener hier bei uns, erklärt Marvin Studer, «sie ist viel weniger kopflastig und theoriebasiert. Sie funktioniert über das Spielen und über Gefühle, was sehr motivierend und spannend ist.» In der neuen Welt hatte er auch die Gelegenheit, zahlreiche Jazz-Grössen live zu hören, so dass für ihn nach dieser Zeit klar war: «Hier liegt meine Zukunft.»
Mit Freude lernen und lehren
Sein anschliessendes Masterstudium absolvierte der Schlagzeuger an der Hochschule Luzern und schwärmt heute noch von seiner Studienzeit, den Menschen dort und ganz besonders von seinem Lehrer: «In Norbert Pfammatter fand ich einen menschlich wie fachlich grossartigen Lehrer. Früher hatte ich immer das Gefühl, dass ich es einmal selbst anders machen möchte als meine damaligen Musiklehrer. Das änderte sich mit ihm.»
Marvin Studer lehrt sehr gerne und hilft anderen mit grosser Freude, sei es seinen Schülerinnen und Schülern, anderen Musikern oder Lehrerkollegen. «Ich kann schwer nein sagen», gesteht er. An der Liechtensteinischen Musikschule ist er sehr gut angekommen. Er fühlt sich sehr wohl und spielt neben dem Unterricht und Bandcoaching gerne selbst in verschiedensten Formationen und Projekten mit. Der Musiker bespielte bereits zahlreiche nationale und internationale Bühnen, war Teil der Bregenzer Festspiele und weiteren Orchesterproduktionen und sammelte einiges an Live- und Studioerfahrung als Multiinstrumentalist, Komponist, Bandleader und Produzent.
Neben Klavier und Keyboard greift er in einer seiner Workshopbands auch zum Bass. «Ich möchte alle Instrumente verstehen», meint Marvin, «deshalb probiere ich auch so vieles aus. Schlussendlich machst du mit jedem Instrument Rhythmus – das gefällt mir. It’s all about the groove, wie es so schön heisst.» Seinen Workshopbands versucht er in erster Linie Authentizität zu vermitteln. Er liebt es, Menschen zum Musizieren und Improvisieren zusammenzubringen und hat viel Spass mit seinen Bandworkshops. Einer davon setzt sich aus ukrainischen Flüchtlingen zusammen, die bald einen ersten eigenen Song einspielen werden.
Musik & die Liebe
Vor den Sommerferien stand der erste Auftritt seiner eigenen Band «Eve & the melting minds» auf dem Programm. Marvins Frau Eva-Maria ist hier Sängerin und die beiden LMS-Lehrerkollegen Wolfgang Vetsch und David Mäder gehören ebenfalls der Formation an. Marvin Studer schwärmt: «Es ist grossartig, dass wir dieses Projekt aufgleisen konnten und nun gemeinsam weiterbringen.» Traurigerweise geht dem Projekt eine tragische und für Marvin Studers Leben einschneidende Geschichte voraus.
«Die Idee zu dieser Band entstand bereits vor einigen Jahren gemeinsam mit meinem besten Freund, mit dem ich während der Studienzeit in Luzern gelebt und musiziert habe. Er ist leider durch einen tragischen Unglücksfall ums Leben gekommen, was mich damals in ein tiefes Loch gestürzt hat. Zu dieser Zeit standen Prüfungen an und ich funktionierte nur noch wie ein Roboter. Anschliessend brauchte in Zeit, um das alles zu verarbeiten und habe zwei Monate lang kein Instrument angefasst. Eines Nachts trieb es mich wieder ans Klavier und der erste Song entstand, welcher sich wie ein Geschenk meines Freundes anfühlte. Mittlerweile ist unser Repertoire an eigenen Songs gewachsen und wir spielen die ersten Gigs, was mich riesig freut. Unser nächstes Konzert findet am 20. September im Kultur Worx in Kreuzlingen statt.
Mit seiner Frau – und seit einigen Wochen auch mit einem jungen Hund – lebt Marvin Studer in Gamprin. Der vielseitige Musiker ist sehr offen, liebt seinen Beruf, die Musik, die Menschen und ist dankbar für das Privileg, sein Leben mit Musik verbringen zu dürfen, auch wenn er sich bis anhin oft durchkämpfen musste. Die wenige musikfreie Zeit in seinem Leben geniesst er gerne in der Natur, insbesondere im Wald, und auch die Ferien verbringt der Musiker gerne inmitten von schönen Landschaften, wie heuer an der Nordsee in Holland.
Zum Abschluss unseres Gesprächs wollten wir wissen, ob er seine Frau denn auch über die Musik kennengelernt hat. «In gewisser Weise schon», erzählt er lachend. «Sie hat damals bei der Taufe meiner Nichte gesungen. Ich habe sie gesehen und gehört und mich direkt in sie verliebt.»
Herzlichen Dank, Marvin, für die interessanten Einblicke in dein Musikerleben!
(Interview: Anita Heule)
Hier geht's zum nächsten Auftritt von «Eve & the melting minds»