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«Die Musik lebt von persönlichen Begegnungen»
Martin Merker studierte Violoncello an den Musikhochschulen in Detmold, Basel und Barcelona und tourte jahrelang durch die Welt, wo er an den unterschiedlichsten Orten rund 90 bis 110 Konzerte pro Jahr spielte. Seit 2018 unterrichtet er Violoncello an der Liechtensteinischen Musikschule.
Martin, du bist seit zwei Jahren als Lehrer für Violoncello an unserer Musikschule tätig. Wie fällt deine erste Zwischenbilanz aus?
Martin Merker: «Ich fühle mich sehr wohl an der LMS! Das Lehrerkollegium ist toll und ich bin erstaunt über das Potenzial, das musikalische Niveau und die Kreativität hier. Es ist beeindruckend, was neben dem eigentlichen Unterricht alles läuft und wie die meisten Lehrpersonen sich einbringen. Das ist nicht zuletzt auch der hervorragenden Schulleitung zu verdanken.
Meine Schülerinnen und Schüler kenne ich nun seit rund zwei Jahren und es ist schön, ihre Fortschritte zu beobachten. Und ich kann einiges von ihnen lernen: Kinder haben eine fantastische Beobachtungsgabe und können die besten Fragen stellen!»
Wie läuft es im Unterricht? Was ist dir besonders wichtig?
«Ich bin sehr gut ausgelastet und unterrichte Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einem Altersunterschied von bis zu 60 Jahren. Dabei bevorzuge ich eine lockere Atmosphäre, die Raum schafft, um den Schülerinnen und Schülern das eigentliche Handwerk beizubringen. Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass sie ihrem Instrument eine Rolle in ihrem Leben zugestehen und es nicht nur als Mittel zum Zweck sehen.
Der vorübergehende Online-Unterricht während des Corona-Lockdowns hat uns vor Augen geführt, dass die Musik von persönlichen Begegnungen lebt und erlebt werden muss, um zu berühren. Leider mussten wir in dieser Zeit auch an der Musikschule einige spannende Projekte absagen bzw. verschieben.»
Über welche Eigenschaften sollte ein guter Cello-Schüler verfügen?
«Neben den körperlichen Voraussetzungen sind sicher Geduld und ein gutes Gehör gefragt. Ich schätze auch das Interesse und die Unterstützung seitens der Eltern sehr und freue mich über die Entdeckungsfreude der Kinder. Deshalb lasse ich sie im Unterricht schon sehr früh mit Eigenkompositionen und eigenen Variationen von bekannten Liedern experimentieren. Das macht Spass und fördert die Kreativität.»
Hattest du selbst Musiklehrer, die dir als Vorbilder dien(t)en?
«Nein, diesbezüglich hatte ich keine Vorbilder. Ich habe erst nach dem Studium richtig spielen gelernt und mir die unterschiedlichen Techniken, Körperhaltungen und -spannungen antrainiert, die es braucht, um vielseitig und gut spielen zu können. Auch das Wissen darüber, wie Lernprozesse ablaufen, habe ich mir nach und nach angeeignet.»
Wie verlief deine musikalische Laufbahn? Wie bist du zum Violoncello gekommen?
«Meine Eltern waren Klassikfans und mein Grossvater war Hobbygeiger. Ich habe mit dem Klavier begonnen, fand das Cello aber interessanter. Bei der Entscheidung für dieses Instrument spielte auch die Tatsache eine Rolle, dass mir das gemeinsame Musizieren mit anderen immer sehr wichtig war.»
Bist du nach wie vor in festen Formationen zu hören?
«Ja, ich bin seit 1987 Cellist des Offenburger Streichtrios, seit 2001 Mitglied des Kammerorchesters Camerata Bern und seit 2002 Solocellist des argovia philharmonic (Symphonieorchester Aarau). Mit dem Streichtrio meiner Heimatstadt haben wir im letzten Herbst im Peter-Kaiser-Saal in Eschen eine CD mit ungarischer Musik eingespielt und veranstalten jährlich im Sommer ein Festival mit fünf Konzerten an fünf Sonntagen. Leider mussten wir dieses Corona-bedingt heuer auf ein Wochenende im Juli reduzieren.»
Stehen bereits weitere Aktivitäten in deinem Kalender?
«Aufgrund der zahlreichen Veranstaltungsabsagen in diesem Jahr muss vieles neu geplant werden und ist deshalb noch offen. Dazu kommt, dass ich die Sinnhaftigkeit von Orchesterreisen und Konzerttourneen immer mehr hinterfrage. Seit ich an der LMS unterrichte und dadurch in Feldkirch sesshaft geworden bin, hat sich mein Leben verändert. Nach wie vor gehe ich aber gerne auf musikalische Entdeckungsreisen, grabe nach musikalischen Schätzen und gestalte Konzertprogramme.»
Wie verschaffst du dir einen Ausgleich zum Alltag?
«Ich bin oft in der Natur und kümmere mich um den Garten. Ausserdem koche ich häufig und gerne. Mit meiner Frau zusammen bin ich auch immer wieder in ihrer ungarischen Heimat anzutreffen. Ich versuche auch, meine Freundschaften in der Ferne zu pflegen, was aufgrund der Distanz nicht immer einfach ist. Diesen Sommer stand eine Reise zu Freunden nach Bergamo an, welche die Zustände während des Corona-Ausbruchs in ihrer Region hautnah miterlebt haben.»
Apropos Corona: Was wird sich verändern durch diese Krise?
«Ich denke, dass uns und vor allem auch den jüngeren Generation bewusst geworden ist, dass einem nicht alles im Leben einfach vom Himmel in die Hand fällt und dass sich unser Leben jederzeit von einem Tag auf den anderen ändern kann. Ich sehe die Krise daher als grosse Chance für ein bewussteres Leben.»
Vielen Dank für das interessante Gespräch und die Einblicke, Martin Merker!
Interview: Anita Heule