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«Ich bin glücklich mit meinem Leben»
Die Gitarre begleitet Katrin Schurti schon von Kindesbeinen an. Damals durchlief sie ein strenges Auswahlverfahren, um ihr Lieblingsinstrument lernen zu dürfen. Mit ihrem Talent, den erforderlichen Voraussetzungen und viel Arbeit konnte sie sich ihren Berufswunsch Gitarrenlehrerin verwirklichen. In unserem aktuellen Interview erzählt sie von ihrer Laufbahn und wie sie noch vor dem Mauerfall die DDR verlassen hat.
Katrin, die Gitarre begleitet dich seit deiner Kindheit. Wie bist du aufgewachsen und zur Musik gekommen?
Katrin Schurti: «Ich komme ursprünglich aus Leipzig, das lag damals in der DDR. Als ich acht Jahre alt war, machte uns die Schule auf einen Informationsanlass der örtlichen Musikschule aufmerksam. Ich besuchte diese Instrumentenvorstellung gemeinsam mit meinen Eltern und war sofort fasziniert von der Gitarre. Ich weiss nicht, ob es an der Gitarrenschülerin oder an dem Stück lag, das sie vorgetragen hatte, jedenfalls stand mein Wunsch fest, Gitarre zu lernen. Da sich alle Interessenten auch für ein Instrument zweiter Wahl entscheiden mussten, wählte ich das Akkordeon als mögliche Alternative.»
Konntest du anschliessend direkt mit dem Unterricht beginnen?
«Nein, der Zugang zur Musikschule unterlag einer strengen Auslese und war auf die Talentsuche fokussiert. Die musikalische Ausbildung in meiner Heimat war hoch subventioniert und nur sehr wenige Kinder erhielten Zugang dazu. So durchlief ich im Alter von acht Jahren erst eine Probestunde, im Rahmen derer meine körperlichen Voraussetzungen geprüft wurden, und anschliessend ein mehrwöchiges Testverfahren. Nach erfolgreicher Aufnahme an der Musikschule, durfte ich mit dem Gitarrenunterricht beginnen. Glücklicherweise hatte ich eine grossartige Lehrerin; sie wurde über die Jahre zu einer mütterlichen Freundin.
Obwohl der Leistungsdruck mit dem vorgeschriebenen Lehrplan und Prüfungen sehr hoch war, fühlte ich mich nie auf Erfolg getrimmt. Ich war glücklich, wenn ich Gitarre spielen durfte und verbrachte dementsprechend viel Freizeit in der Musikschule sowie bei zahlreichen Auftritten und Wettbewerben. Den jeweils 45-minütigen Weg zur Musikschule und wieder nach Hause nahm ich dafür mehrmals wöchentlich in Kauf.»
Was hat dich motiviert, die Musik zu deinem Beruf zu machen?
«Der Berufswunsch Gitarrenlehrerin war seit meiner Kindheit stark in mir verankert und ich verfolgte dieses Ziel geradlinig. Während den letzten beiden Schuljahren konnte ich zur Vorbereitung auf das Studium bereits einige Stunden bei einem Hochschullehrer belegen. Ich bewarb mich an der Hochschule für Musik «Franz Liszt» in Weimar. Diese war bekannt für ihre Gitarrenausbildung. Ich bestand die Aufnahmeprüfung und ergatterte einen der drei oder vier verfügbaren Studienplätze. Die Kapazität der Hochschule war damals direkt gekoppelt mit der Stellenplanung an den staatlichen Musikschulen – es wurden nur so viele Studentinnen und Studenten aufgenommen, wie Stellen für Musiklehrpersonen frei waren bzw. wurden.»
Wie hat sich dein beruflicher Weg gestaltet?
«Nach dem Studium unterrichtete ich zwei Jahre lang an der Musikschule in Leipzig. Ich war eingebettet in ein gutes Umfeld. Die sich 1989 stetig zuspitzende politische Situation belastete mich allerdings sehr. Da ich nicht wusste, wie sich die Lage entwickeln und ob alles noch unsicherer würde, entschied ich mich sozusagen über Nacht, meine Zelte abzubrechen. Ich nutzte mein befristetes Urlaubsvisum für Ungarn, welches ich seit ein paar Monaten besass, und verliess meine Heimat wenige Wochen vor seinem Ablauf. Um es nach einer Ferienreise aussehen zu lassen, buchte ich eine Zugfahrt nach Budapest und zurück.»
Ist dir die Flucht gelungen?
«Ja, ich hatte Glück. Der Zug wurde auf der Strecke angehalten und einige Passagiere mussten aussteigen und wurden von Beamten der Staatssicherheit festgenommen. Von Budapest aus brachte mich ein Taxi über die grüne Grenze nach Wien. Dort meldete ich mich bei der Deutschen Botschaft. Anschliessend kam ich nach Norddeutschland. Der Druck, der auf mir lastete, war enorm und mir war bewusst, dass ich nicht mehr in meine Heimat zurückkehren konnte. Mein neues Leben in Niedersachsen bestritt ich zu Beginn mit Privatunterricht und Konzerten, bevor ich dort an der Musikschule unterrichten konnte.»
Wie bist du schlussendlich nach Liechtenstein gekommen?
«Auf der Suche nach einer neuen Anstellung schickte ich eine Bewerbung in den Süden Deutschlands. Diese gelangte über Kontakte nach Rankweil, wo eine Lehrperson für Gitarre gesucht wurde. Ich war anfangs skeptisch, aber entschied mich dennoch herzufahren und mich vorzustellen. Ich sah zum ersten Mal die Alpen und fühlte mich sofort wohl. Während der Zeit in Rankweil lernte ich meinen Mann kennen und kam durch ihn im Jahr 2000 nach Liechtenstein, wo ich seit 2002 an der Musikschule beschäftigt bin.»
Wer sind deine Schülerinnen und Schüler hier und worauf legst du Wert beim Unterrichten?
«Ich unterrichte die ganze Bandbreite von Kindern bis zu Senioren über 70. Es ist schön, insbesondere unter den Erwachsenen viele treue Schülerinnen und Schüler zu haben. Mein Ziel ist es, alle mit einem positiven Gefühl aus dem Unterricht zu verabschieden. Ich freue mich, wenn wir in einem guten «Flow» sind und beide überrascht darüber sind, dass die Zeit so schnell verging.»
Du hast im Rahmen deiner musikalischen Ausbildung früh damit begonnen aufzutreten. Ist dir in all den Jahren ein Auftritt besonders in Erinnerung geblieben?
«Früher habe ich aktiv nach Möglichkeiten gesucht aufzutreten, überwiegend solistisch und im Duo mit Flöte. Bis vor wenigen Jahren habe ich im Gitarrenduo mit Patrick Honeck musiziert und davor eine längere Zeit mit Hieronymus Schädler. Heute spiele ich überwiegend für mich selbst.
Ein Highlight meiner Laufbahn war die Mitwirkung bei mehreren Opernaufführungen mit dem weltberühmten Gewandhausorchester Leipzig. Da die Gitarre kein Orchesterinstrument ist, war die Möglichkeit dort mitzuspielen für mich etwas ganz Besonderes und eine grosse Ehre. Ich hatte zwei Soloparts in «Die wundersame Schustersfrau» von Zimmermann.»
Wie gestaltest du deine Freizeit? Wofür interessierst du dich?
«Ich liebe und brauche den Sport und halte mich mit Tennis fit oder unternehme Wanderungen in guter Gesellschaft. Mit Freunden kochen wir sehr gerne. Mein Sohn ist Arzt und lebt in Basel. Dementsprechend steht diese Stadt regelmässig auf unserem Reiseplan. Dort besuche ich am liebsten die Fondation Beyeler, mein absoluter Favorit unter den Museen, wo auch das Foto von mir entstanden ist.
Mein Mann und ich verbringen gerne Zeit im Tessin und reisen regelmässig nach Leipzig, München und zu meinem Vater nach Hamburg. Ich mag den Kontrast zwischen dem Landleben und der Grossstadt. Im Sommer gönnen wir uns jeweils drei- bis vierwöchige Urlaube. Diese führen uns regelmässig in die Ferne, beispielsweise nach Asien oder Afrika.»
Zum Abschluss unseres Gesprächs hast du einen Wunsch frei: Was darf es sein für die Zukunft?
«Mein grösster Wunsch ist es, dass ich gesund bleibe. Mein Leben darf gerne so weitergehen, wie es jetzt ist – ich bin zufrieden und glücklich.»
Katrin, herzlichen Dank für das Gespräch und die interessanten Einblicke in dein Leben!
(Interview: Anita Heule)