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Die Liebe zur Musik weitergeben
Als «rund und gut gestaltet» bezeichnet die Pianistin und Klavierlehrerin Evgenia Fölsche ihr Leben, welches sich vor gut einem Jahr von Deutschland nach Liechtenstein verlagert hat. Sie schätzt die Balance zwischen ihrer Tätigkeit als Konzertpianistin einerseits und Musikpädagogin andererseits.
Einundzwanzig Schülerinnen und Schüler im Alter von sechs bis rund fünfzig Jahren besuchen wöchentlich den Unterricht bei unserer Gesprächspartnerin. Sie hat bereits während ihres Studiums und insbesondere in den vergangenen Jahren an Musikschulen unterrichtet. Evgenia Fölsche erzählt: «Als ich meine Klasse hier übernommen habe, war ich positiv überrascht. Alle sind sehr interessiert, was mich ungemein freut. Ich gehe offen, kreativ und flexibel auf die Situationen und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler ein und versuche, von Beginn an eine gute persönliche Beziehung zu ihnen aufzubauen, was mir glücklicherweise gelingt.»
Das Geheimnis lüften
In erster Linie ist es ihr wichtig, ihre Begeisterung für die Musik vorzuleben und weiterzugeben. Die spielerische Schulung des Gehörs, das gemeinsame Musizieren und die Technik bezüglich Hand- und Körperhaltung sind die drei Eckpfeiler ihres Unterrichts. «Bevor wir anfangen, lasse ich meine Schützlinge jedoch ihr Instrument erkunden. Ich erkläre die Mechanik und zeige ihnen, wie die Töne im Klavier bzw. im Flügel erzeugt werden», führt Evgenia Fölsche aus. «Das kommt sehr gut an und manches Kind ist erstaunt, welches Geheimnis im Innern des Instruments verborgen liegt.» Die Musikpädagogin beobachtet oft, dass die Kinder mit diesem Verständnis die Tasten ganz anders anschlagen als zuvor.
Auch ihre Methoden das Gehör zu schulen kommen bei den Anfängern gut an. «Ich spiele oder singe einfache Melodien vor, die der Schüler oder die Schülerin dann ohne Noten auf dem Klavier nachspielt», so die Lehrerin. «Es ist grossartig zu beobachten, was diese Übung und die damit verbundenen Erfolgserlebnisse bewirken. Ebenfalls sehr motivierend wirkt es, wenn ich im Unterricht bekannte Stücke vorspiele und wenn wir vierhändig spielen.» Mit Freude berichtet sie von ihrer ersten Schülerin, die an einem Wettbewerb teilnehmen wird, sowie den zweimal jährlich geplanten Klassenkonzerten.
Mit fünf Jahren gestartet
Nach diesen Ausführungen interessiert uns natürlich, wie unsere Gesprächspartnerin selbst zur Musik gekommen ist und welche Meilensteine und Menschen ihre bisherige Laufbahn prägten. Evgenia Fölsche: «In meiner Familie gab es keine Musiker. Als Kind war ich regelmässig bei meiner Oma, die sehr gerne gesungen hat. So war die Musik ein natürlicher Teil unserer gemeinsamen Zeit. Als ich fünf war, hat sie mich zum Klavierunterricht angemeldet. Ich hatte sofort einen Draht zum Instrument und so übte und spielte ich immer gerne. Bereits nach einem Jahr konnte ich erste Erfahrungen auf der Konzertbühne sammeln. Ich wollte immer besser werden und habe das Spielen auf der Bühne von Beginn an geliebt.»
Aufgewachsen ist die Pianistin in Russland, in der Nähe von Moskau. Als Kind und Jugendliche verbrachte sie die Ferien regelmässig in einer Sommerakademie, wo sie von verschiedenen Professoren des Moskauer Konservatoriums unterrichtet wurde und zahlreiche Möglichkeiten für Auftritte und Teilnahmen an Wettbewerben erhielt. «Hier wurde auch der Grundstein für meine Liebe zur Kammermusik gelegt», erzählt die leidenschaftliche Musikerin. Ich gründete ein Klaviertrio mit einer Violinistin und einer Cellistin – meine Lieblingskonstellation im Ensemblespiel.
Ein neuer Zugang
Während ihres Master-Studiums an der Russischen Gnessin-Musik-Akademie in Moskau, welches sie als Konzertpianistin, Korrepetitorin und Klavierlehrerin mit Auszeichnung abschloss, ebenso wie bei ihrem anschliessenden Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt kam Evgenia Fölsche in den Genuss verschiedenster Ansätze und Lehrmethoden. «Mich haben viele unterschiedliche Professoren geprägt und gefördert. Sie waren alle selbst Schüler berühmter Pianisten der Russischen Schule wie z.B. von Heinrich Neuhaus. In der Meisterklasse von Professor Lev Natochenny in Frankfurt erhielt ich nochmals einen ,frischen’ Zugang zur Musik. Er vertritt den Standpunkt, dass alles Wichtige, was der Komponist ausdrücken wollte, in den Noten steht. Das gründliche Lesen der Noten ist der Grundstein für eine ehrliche und stilgetreue Interpretation des Musikstücks. Mir half diese Erkenntnis sehr und sie begleitet mich bis heute.»
So unterschiedlich ihre Charaktere und Methoden waren, ein grosser gemeinsamer Nenner verband ihre Lehrer: Zu allen hatte unsere Interviewpartnerin einen guten menschlichen Draht. Die Chemie stimmte, man verstand einander und pflegt grösstenteils heute noch ein freundschaftliches Verhältnis, genauso wie es Evgenia Fölsche auch als Musiklehrerin in ihrer eigenen Klasse anstrebt.
Konzerte und eine CD-Aufnahme
Ihre Tätigkeit als Konzertpianistin führte sie in den vergangenen Jahren an zahlreiche Orte und in namhafte Konzertsäle in Russland, Deutschland, Italien und den USA. Gab es darunter einen Favoriten? «Mein schönstes Erlebnis hatte ich in der Berliner Philharmonie», berichtet sie. «Der Saal ist gefüllt von Inspiration und einer grossen Geschichte. Ich habe mich dort enorm wohlgefühlt.» Ein Konzert für zuhause hat die Pianistin in Form der CD «Musikalischer Bildungsroman» aufgenommen. Die ausgewählten Klavierstücke von Chopin, Schubert und Liszt erzählen auf- und anregende Geschichten aus dem Leben dieser drei musikalischen Helden.
Evgenia Fölsche bezeichnet trotz ihrer russischen Wurzeln Deutschland als ihre Heimat. Dorthin zog sie im Alter von 23 Jahren für ihr Studium und blieb insbesondere auch der Liebe wegen. Sie lebte mit ihrem Mann und den beiden Kindern in der Nähe von Frankfurt und spielte zahlreiche Konzerte, als mit Beginn der Corona-Zeit plötzlich alle Auftritte abgesagt wurden. «Ich musste meine Situation überdenken und entscheiden, wie es mit meiner beruflichen Laufbahn weitergehen soll. Viele befreundete Musiker haben in dieser Zeit ihren Beruf aufgegeben, das hat mich sehr betroffen gemacht.» Der Umzug hierher habe ihre Tätigkeiten wieder in ein gutes Lot gebracht. Sie schätzt ihren Lehrauftrag, das Kollegium und die hervorragenden Rahmenbedingungen an der Musikschule. «Ich bin glücklich, wenn ich die Musik an andere Menschen weitergeben darf – sowohl als Klavierlehrerin als auch als Konzertpianistin.»
Leidenschaft für Kammermusik
So bringt sie sich auch aktiv ins hiesige Kulturleben ein. Nebst musikschulinternen Konzerten und Anlässen wird sie am ersten Advent gemeinsam mit einer Studienkollegin im Rahmen einer weihnachtlichen Lesung mit Musik aus der «Nussknacker-Suite» im TaK zu hören sein. Zudem ist sie mitten in der Planung eines «Festivals der Stimmen», das im März 2025 in Triesen über die Bühne gehen wird. Dort stehen bekannte Lieder von Schumann und Schubert auf dem Programm. «Als Pianistin reizt mich die Zusammenarbeit mit Sängern sehr. Ausserdem möchte ich dem Publikum gerne solche Liederabende näherbringen», erklärt Evgenia Fölsche. «Sie stehen leider oft im Schatten grosser Produktionen wie der Oper.» Nicht zuletzt freut sie sich über diese neue Betätigungsmöglichkeit in ihrem Lieblingsfeld, der Kammermusik.
Ihren Ausgleich findet die engagierte Musikerin bei der Bewegung in der Natur. Sie unternimmt gerne Wanderungen mit ihrer Familie und geniesst die inspirierende Landschaft hierzulande. Skifahren und Yoga runden ihr Sportprogramm ab. Das Interesse an klassischer Musik teilte ihr Mann vom ersten Tag an mit ihr. Gerne besuchen beide die Oper und schätzen es sehr, dass sie von ihrem neuen Zuhause in kurzer Fahrzeit zahlreiche Konzerthäuser erreichen.
Wenn es nach Evgenia Fölsche geht, darf ihr Leben gerne so rund und gut gestaltet weitergehen. Sie bleibt offen und freut sich, wenn sich neue Projekte und künstlerische Kooperationen ergeben.
Das wünschen wir unserer Gesprächspartnerin selbstverständlich auch und danken herzlich für ihre Zeit und die spannenden Einblicke.
(Interview: Anita Heule)