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Von Lottosechsern, Besenkammern und einer Lebensschule voller Musik
Lieber Klaus, deine Frühpensionierung rückt näher. Nur noch wenige Wochen und du sagst der Musikschule «tschau». Willst du es dir nicht nochmals anders überlegen?
Klaus Beck (lacht): «Nein.»
Weshalb hast du dich für eine Frühpensionierung entschieden?
«Ich freue mich, dass das Land Liechtenstein die Möglichkeit zur Frühpensionierung anbietet. Nach über 40 Arbeitsjahren an der Musikschule nutze ich diese Gelegenheit gerne. Der Augenblick der Pensionierung würde so oder so in Kürze anstehen, deshalb dachte ich: Wieso nicht jetzt?»
Lass uns kurz auf die Anfänge zurückblicken: Wie kamst du zur Musik, zu deinem Instrument und schlussendlich an die LMS?
«Ich wollte schon als Kind Klarinette spielen. Daheim bin ich mit einer Papierrolle vor dem Mund durchs Haus marschiert. Als ich die Gelegenheit dazu bekam, nutzte ich diese gerne. Während meiner Berufsausbildung erlaubte mir mein Lehrmeister sogar, am Mittwochnachmittag für die Musikstunde nach Vaduz zu fahren. Natürlich musste ich die versäumte Arbeitszeit nachholen. Ich schätzte es dennoch sehr, dass er mir diese Möglichkeit gab. Anschliessend ging es für mich ans damalige Landeskonservatorium in Feldkirch zum Studium bei Prof. Georg Vinciguerra.»
Wie ging es nach dem Studium weiter?
«Während und nach dem Studium unterrichtete ich in Teilzeit in Werdenberg und Liechtenstein. Das war eine goldene Zeit für die Musikschule. Die Nachfrage nach Musikunterricht wuchs, da unter anderem viele Musikvereine ihren Nachwuchs nicht mehr selbst ausbilden konnten. So wurden viele Stellen geschaffen und ich erhielt hier eine Vollanstellung. Das war für mich wie ein Lottosechser.»
Wie hat sich die Musikschule in den vier Jahrzehnten weiterentwickelt?
«Die Musikschule und ihre Angebote sind enorm gewachsen. Aktuell werden unsere 2350 Schülerinnen und Schüler von rund 75 Lehrpersonen unterrichtet. Einer der grössten Entwicklungsschritte war mit Sicherheit die Eröffnung unserer beiden Musikschulzentren in Eschen und Triesen in den Jahren 2000 und 2004. Seither ist die LMS im Land viel präsenter und wird als öffentliche Schule wahrgenommen.»
Wie kam es zum Bau der Musikschulzentren?
«Früher hatte die Musikschule keine eigenen Räume und war viel mehr auf das Entgegenkommen von Gemeinden, Land und Vereinen angewiesen. In Mauren habe ich beispielsweise in einem Materialraum der Feuerwehr unterrichtet, wo Atemschutzgeräte und Stiefel gelagert wurden. Wir haben sozusagen jede Besenkammer und jeden Abstellraum im Land genutzt und das Beste daraus gemacht.
Der Platzmangel war ein Dauerthema und beschäftigte bereits meinen Vorgänger Pepi Frommelt über all die Jahre. Doch kurz vor der Jahrtausendwende kam der Stein ins Rollen und wir konnten innerhalb kurzer Zeit beide Musikschulzentren bauen und einrichten. Als Direktor war ich beim Bau des Musikschulzentrums Oberland in Triesen intensiv involviert. Das war eine sehr lehrreiche und spannende Zeit für mich. Nun geht es darum, weiterhin werterhaltend zu investieren und die gesamte Infrastruktur und die Ausstattung wie Instrumente und Hilfsmittel zu pflegen und in Schuss zu halten.»
Vor 25 Jahren bist du als Nachfolger von Pepi Frommelt zum neuen Musikschuldirektor ernannt worden. Was hat dich damals an der Position gereizt?
«Ich interessiere mich seit jeher für die Themen Finanzen, Organisation und Verwaltung. Das ist sicher auch meiner ersten Ausbildung in der Privatwirtschaft und meiner jahrelangen Vereinstätigkeit geschuldet. Ich war damals seit neun Jahren Direktor-Stellvertreter und sah diese Möglichkeit als grosse Chance für mich. Natürlich habe ich mich auch gefragt, ob ich dazu fähig bin und was dies bedeutet. Als der Anruf mit der Zusage kam, bin ich dennoch erschrocken. Das ist nun über 25 Jahre her und ich bereue es nicht.»
Was waren die grössten Herausforderungen und Meilensteine im vergangenen Vierteljahrhundert?
«Neben der Realisierung der erwähnten Musikschulzentren war dies die Erstellung unseres Organisationshandbuchs. Dabei haben wir unter Mitwirkung der Lehrpersonen in einem arbeitsintensiven Projekt sämtliche Prozesse, Abläufe, Stellenbeschreibungen und Massnahmen, die den Betrieb der Musikschule betreffen, ausgearbeitet und dokumentiert. Darin ist alles festgelegt, was für das Funktionieren der Musikschule erforderlich ist und wie es umgesetzt wird. Bei Bedarf werden einzelne Bereiche daraus ergänzt oder an neue Anforderungen angepasst. Ich bin stolz, dass wir das gemeinsam geschafft haben und danke allen Beteiligten für ihre Mitarbeit.
Auf der Grundlage des Handbuchs konnten sich in den vergangenen Jahren viele Bereiche weiterentwickeln. So haben wir beispielsweise neue Angebote geschaffen im Bereich Jazz-Rock-Pop (heute GrooveLab) und bei den Kinderangeboten, aber auch beim Erwachsenenmusizieren und den Ensembles. Unseren Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zum gemeinsamen Musizieren zu bieten, war mir persönlich immer ein grosses Anliegen.»
Was war dir in deiner Funktion als Direktor ausserdem wichtig?
«Der Miteinbezug aller Beteiligten lag mir immer sehr am Herzen. Eine Schule ist nur so gut, wie ihre Lehrpersonen sich dafür ins Zeug legen. So schätze ich nach wie vor den Dialog und eine offene Feedbackkultur. Ich war immer froh um Rückmeldungen und Kritik, auch von Seiten der Schüler und Eltern. Zudem habe ich immer versucht, die Lehrpersonen bei ihren Initiativen zu unterstützen. Sie hatten und haben viele grossartige Ideen und setzen diese musikalisch um. Als Direktor konnte ich sie gemeinsam mit unserem Verwaltungsteam organisatorisch und finanziell bei der Realisierung ihrer Absichten unterstützen.
Schlussendlich standen für mich immer unsere Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt. Sie sollen von unseren Angeboten und den Möglichkeiten profitieren und sich dadurch musikalisch und persönlich weiterentwickeln können. Bei so vielen Mitarbeitern und Bezugspersonen über all die Jahre gab es natürlich auch persönliche Schicksale, die mir sehr nahe gingen. Meine Tätigkeit war auch deshalb eine Lebensschule für mich. Ich habe enorm viel gelernt im Umgang mit anderen Menschen.»
Was treibt dich um in diesen letzten Arbeitswochen?
«Aktuell sind wir mit der Organisation des Musikschulfestes beschäftigt, welches am Samstag, 24. Mai, in Schaan über die Bühne geht. Das Programm wird grossartig! Ich freue mich enorm, dass so viele Lehrpersonen und Schüler von Klein bis Gross mitmachen.»
Am Musikschulfest steht auch dein grosses Abschiedskonzert auf dem Programm. Was können wir uns darunter vorstellen und worauf dürfen sich die Gäste freuen?
«Ich verabschiede mich im Rahmen eines von mir geleiteten Konzertes von den Kolleginnen und Kollegen, allen Verantwortlichen, den Schülern und Freunden der Musikschule. Es spielt das grosse Orchester der Musikschule, welches vorwiegend aus Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern sowie langjährigen Weggefährten besteht. Für das Konzertprogramm unter dem Titel «Das grosse Finale» habe ich solistische Beiträge wie auch bekannte und beliebte Orchesterwerke von der Klassik bis zur Moderne zusammengestellt. Ich freue mich sehr auf die Aufführung, die einen musikalischen Schlusspunkt hinter meine 25-jährige Tätigkeit als Direktor und über 40-jährige Tätigkeit für die Musikschule setzen wird.»
Was sind deine Pläne für die nächsten Jahre?
«Meine Frau Gaby und ich haben früh Kinder bekommen und mussten in jungen Jahren kräftig arbeiten, um gut für unsere Familie zu sorgen. Ich war damals noch im Studium. Mittlerweile ist die Familie um drei Enkelkinder gewachsen und wir verbringen sehr gerne Zeit mit ihnen. Ausserdem macht uns das Reisen Freude und wir haben vor, unter anderem Teile der USA zu erkunden.
Neben meiner Beschäftigung als Hobbywinzer bin ich auch handwerklich tätig und plane, mir eine kleine Werkstatt dafür einzurichten. Daneben wird sicher noch etwas Zeit für soziales Engagement bleiben. Musikalisch und kollegial bleibe ich nach wie vor der Harmoniemusik Schaan sowie dem Sinfonieorchester Liechtenstein (SOL) treu.
Ich freue mich sehr, mehr Zeit zu haben für all diese Aktivitäten und Menschen, die mir wichtig sind.»
Was wünschst du dir?
«Ich wünsche mir, dass wir lange gesund bleiben und noch viele Jahre mit der Familie und Freunden geniessen dürfen. Meinem Nachfolger Roger Szedalik wünsche ich, dass er dieselbe Unterstützung von allen Seiten erfährt, die ich auch bekommen habe.»
Das letzte Wort gehört dir, lieber Klaus.
«Ich danke allen, mit denen ich in all der Zeit zusammengearbeitet habe, für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung. Ein grosser Dank geht an den Stiftungsrat, der mich immer sehr konstruktiv begleitet und mir sein Vertrauen geschenkt hat. Danke auch an alle Partner, Sponsoren und den Freundeskreis Musikschule für sein Wirken. Dem Musikschulteam mit den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Mitarbeitern in der Verwaltung danke ich last but not least ebenfalls sehr herzlich.
Die Leitung der Musikschule ist keine Einmannshow. Viele Menschen müssen am selben Strick ziehen, damit alles rund läuft und schlussendlich eine solche Erfolgsgeschichte geschrieben werden kann.»
Interview: Anita Heule
Foto: Julian Konrad